Text: Prof. Dr. Sven Hartung
Am 18. Mai 2025 wird sich in der Oper Frankfurt der Vorhang für die mit Spannung erwartete Neuinszenierung des Parsifal von Regisseurin Brigitte Fassbaender heben. Zum Auftakt eines Parsifal-Schwerpunktes im RWV Frankfurt hielt unser Mitglied, die bekannte Musikwissenschaftlerin Dr. Ulrike Kienzle, am 10. März 2025 einen Vortrag mit dem Titel „Durch Mitleid wissend: Die Philosophie der Erlösung in Wagners Parsifal“.
Frau Kienzle ist nicht nur eine ausgewiesene Wagner-Spezialistin, sondern hat eine ganz besondere Beziehung zum Parsifal. Für sie, aus einem – wie sie sagte – nicht sehr musikalischen Elternhaus kommend, sei diese Musik im Alter von etwa 14 Jahren die Initiation in die Musik gewesen. Damals sei „der Vorhang des Lebens aufgegangen“. Nicht überraschend schrieb sie dann auch ihre Magisterarbeit über Schopenhauers Einfluss auf Wagner.
Mit ihrer profunden Kenntnis des Werks konnte Frau Kienzle auch hartgesottenen Wagner-Freunden, zu denen sich nicht wenige der etwa 50 Anwesenden im Dr. Hoch’s Konservatorium zählen durften, noch neue Erkenntnisse nahebringen.
Wer hätte z.B. gewusst, dass Wagner sich erst während der fast 25 Jahre andauernden Beschäftigung mit dem Stoff für die Einbindung in die christliche Symbolik und gegen eine enge Verknüpfung mit dem Buddhismus entschied? (Was einzelne Zitate nicht ausschließt, siehe das in Kundry verkörperte Konzept der Seelenwanderung. Buddha hätte dann der Protagonist seiner nächsten Oper Die Sieger sein sollen, die Wagner sanfter und „weniger blutig“ plante, wie Cosima 1880 notierte.) Wer hatte sich vorher klargemacht, dass die Parsifal-Partitur durch permanente Synkopen geprägt ist, vielleicht sogar als musikalisches Abbild des Verlusts von Raum, Zeit und Orientierung? Wem war präsent, dass die Gralsburg nicht auf einem hohen Berg, sondern von Wagner ins Erdinnere verortet wurde, so dass die Wanderung dorthin metaphorisch als Weg in die tieferen Schichten des Bewusstseins verstanden werden kann?
Diese und viele weitere Ideen und Deutungsansätze unterlegte Frau Kienzle mit Abbildungen, Noten- und Musikbeispielen. Nachdem sie bereits zu Beginn ihres Vortrags darauf hingewiesen hatte, dass der Stoff ein Gegenentwurf zu Aufrüstung, Militarismus und Ausbeutung der Ressourcen im frühen Kaiserreich war, stellte sie abschließend noch einmal die in der Gralsutopie des Parsifal abgebildete Ethik der Gewaltlosigkeit und der Harmonie von Mensch und Natur heraus: „Erlösung dem Erlöser“ als Auftrag an uns, immer wieder daran zu arbeiten.
Lang anhaltender Beifall für einen sehr beeindruckenden Vortrag. Unter den Besuchern befand sich auch Andreas Bauer Kanabas. Der Bass, Ensemblemitglied der Oper Frankfurt, wird im kommenden Mai mit dem Gurnemanz ein bedeutendes Rollendebüt im Wagner-Fach feiern und am 13. Juni mit dem Rheingold-Preis der Frankfurter Richard Wagner-Freunde ausgezeichnet.
Die nächste Veranstaltung des RWV Frankfurt zum neuen Parsifal wird Thomas Guggeis gestalten. Der GMD der Oper Frankfurt wird die Neuproduktion dirigieren. Sein Musikvortrag am Freitag, 9. Mai, um 19 Uhr trägt den Titel: „Zum Raum wird hier die Zeit – Klang und Ritual in Richard Wagners PARSIFAL“. Der Eintritt im Dr. Hoch’s Konservatorium ist frei – es sind keine Anmeldungen erforderlich.