Die DNB – das Gedächtnis der Nation

Frankfurt am Main und Leipzig beherbergen mit der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) und ihrer „Sammlung für die Ewigkeit“ einen sagenhaften Schatz an Medienwerken. Die über 40 Mitglieder des RWV Frankfurt, die Mitte Februar an einer privaten Führung durch die DNB teilnahmen, wussten natürlich um die Existenz dieser bedeutenden Institution. Aber waren ihnen die Dimension der Sammlung, ihre Geschichte und die ganz praktische Funktionsweise bekannt? Nach zwei überaus informativen Stunden verließen die Besucher das Haus nachhaltig begeistert und beeindruckt.

Die DNB an der Frankfurter Adickesallee – Foto: Christoph Jenisch

1913 in Leipzig als Deutsche Bücherei gegründet, wurden die Verlage in Deutschland ab 1935 gesetzlich verpflichtet, je eine Ausgabe aller Neuerscheinungen des nationalen Schrifttums an die Archivbibliothek zu liefern. Erste Ideen für eine solche Bibliothek gab es schon 1843. In Frankfurt am Main wurde 1946 mit der Deutschen Bibliothek ein westdeutsches Pendant zum parallel weiterbestehenden Leipziger Standort gegründet. Zunächst befand sich die Frankfurter Bibliothek, dessen Sammlungsbeginn auf den 8. Mai 1945 festgelegt wurde, im Rothschild-Palais, dem heutigen Jüdischen Museum. 1959 erfolgte der Umzug in die Zeppelinallee und 1997 konnte der Neubau in der Adickesallee bezogen werden.

Der gesetzliche Sammelauftrag der DNB umfasst seit 1913 in Deutschland veröffentlichte Medienwerke, im Ausland veröffentlichte Medienwerke in deutscher Sprache, Übersetzungen deutschsprachiger Medienwerke in andere Sprachen und fremdsprachige Medienwerke über Deutschland. Es wird ohne Wertung alles zu Musik und Literatur gesammelt, was eine Auflage ab 25 Exemplaren und mindestens fünf Seiten Umfang hat. Dazu gehören auch Fachzeitschriften (aktuell über 60.000 Titel), Dissertationen sowie Musiknoten und zwar unabhängig davon, ob sie physisch vorliegen (papierhaft oder auf einem Speichermedium) oder nicht-physisch (E-Book etc.). Seit 2006 werden zudem Websites „von eindeutig öffentlichem Interesse“ gesammelt und davon regelmäßig „Zeitschnitte“, also eine Website-Historie, angelegt. Ende 2023 konnten 8.647 Websites mit über 64.000 Zeitschnitten abgerufen werden.

Während die DNB in Leipzig zusätzlich über das Deutsche Musikarchiv verfügt, das sich ursprünglich in Berlin befand, beherbergt Frankfurt auch das Archiv der deutschsprachigen Exilanten der Jahre 1933 bis 1945. Deren in der NS-Diktatur erlittenes Schicksal hat das Haus eine unbedingt sehenswerte Dauerausstellung mit dem Titel Exil. Erfahrung und Zeugnis gewidmet. 

Im „Allerheiligsten“ der DNB: das Magazin – Foto: Christoph Jenisch

Ende 2023 lagerten an beiden Standorten insgesamt 49.687.783 Medieneinheiten. Jährlich kommen 3,5 Millionen Einheiten hinzu, im Schnitt also 14.000 pro Arbeitstag in Leipzig und in Frankfurt. Die Archivare nehmen bei jedem Neuzugang eine inhaltsbezogene Beschlagwortung vor, um eine sinnhafte Suche nach den Titeln zu ermöglichen. Künstliche Intelligenz erhält hierbei eine immer größere Bedeutung, um die Massen noch beherrschen zu können. Es handelt sich bei der DNB um eine Präsenzbibliothek, Ausleihungen sind also nicht möglich. Jeder Interessierte ab dem vollendeten 16. Lebensjahr, der über einen amtlichen Ausweis verfügt, kann sich einen Leseausweis ausstellen lassen. Ab März 2025 kostet der 5-Tage-Ausweis 5 Euro, ein Jahresausweis 25 Euro.

617 Mitarbeiter sind allein in Frankfurt beschäftigt. 870 Wünsche auf Einsichtnahme kommen hier pro Tag herein. Über eine Teleliftanlage werden diese Abrufe aus einem dreigeschossigen Tiefbaumagazin mit 30.800 Quadratmetern Fläche an die Ausgabestelle im Lesesaal befördert. Die Magazinfläche entspricht 4,5 Fußballfeldern. Unsere Besuchergruppe durfte diesen sensiblen Bereich in Augenschein nehmen, zu dem sonst nur die Archivare Zutritt haben. Der Platz dort wird spätestens 2035 nicht mehr ausreichen. Noch sind Verdichtungen im Bestand möglich. Doch es gibt Erweiterungsoptionen: Die Tiefgarage kann zum Magazin umgewidmet werden und auf dem gegenüberliegenden Grundstück besteht ein Baurecht für ein weiteres Tiefgeschoss mit drei Ebenen. Somit wird das „Gedächnis der Nation“ auch in Zukunft seinen wichtigen Auftrag des Bewahrens und Studierens erfüllen können.  

unendliche Weiten: 30.800 qm Magazinfläche – Foto: Christoph Jenisch

Der Lesesaal war an dem von uns besuchten Samstag übrigens sehr gut frequentiert. Das beweist, dass die DNB nicht nur ein Archiv, sondern vielmehr eine lebendige und dennoch von diszipliniertem Schweigen erfüllte Institution mit einem unschätzbaren praktischen Nutzen für die interessierte Allgemeinheit ist.  

Der dreigeschossige Lesesaal der DNB – Foto: Christoph Jenisch